Vorratsdatenspeicherung-Predictive Policing-Überwachungsstaat?
Neu: Urteil LG-Karlsruhe über unionsrechtliche Staatshaftung
I.Vorbemerkung zur Vorratsdatenspeicherung
Teilweise sprechen sich Gerichte wie EuGH (Rs C-203/15 und C-698/15) und OVG Münster (Az. 13 B 238/17) gegen die Vorratsdatenspeicherung aus, sie sei mit Europarecht nicht vereinbar. Die Bundesnetzagentur hat die Durchsetzung der VDS wegen genannter OVG-Münster Entscheidung momentan außer Kraft gesetzt. Unser Bundesverfassungsgericht (Az: 1 BvR 256/08) dagegen befürwortete die VDS mit kleinen Einschränkungen. Es wartet mit seiner Entscheidung über Verfassungsbeschwerden zur VDS zum neuen Gesetz bis europäisches Recht so angepasst ist, dass das deutsche Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung mit europäischen Recht konform ist. In meiner Klageschrift unten erkläre ich warum das BVerfG für die VDS ist. Den Nutzen der Vorratsdatenspeicherung sehen die Befürworter, meist Politiker der CDU-CSU, wie Herr de Maiziere, die Polizei, BKA-Präsident Münch und Staatsanwaltschaft in der Bekämpfung von schwerer Kriminalität, wie Kinder-pornographie und Terrorismus. So sprach sich der BKA-Präsident Münch im Februar 2018 für eine Ausweitung der Vorratsdatenspeicherung aus, weil ca. 8400 "Hinweisen" auf Kinderpornographie nicht nachgegangen werden konnte. Nur 8400 "Hinweise" wird es auch nach der Einführung von VDS wiedergeben, da "Hinweise" in im Auge des Betrachters liegen, und man sie nur entsprechend definieren muss. Dagegen zeigen verschiedene Untersuchungen wie des Max-Planck-Institut, dass Vorratsdatenspeicherung keinen Nutzen bringt. Für mich ist VDS über Predictive Policing der schleichende Übergang in einen Überwachungsstaat. Predictive Policing verlangt immer mehr Daten, um immer genauere Aussagen über das Verhalten von Personen zu machen. Der Datenhunger der Sicherheitsbehörden wird aufgrund der fortschreitenden Computertechnik nicht stoppen. Neue und immer leistungsfähigere Computer ermöglichen immer mehr Daten zu verknüpfen und immer mehr Bereiche unseres Lebens zu erfassen. Was heute unter dem Stichwort "Predictive Policing" seinen Anfang hat wird mit zunehmend starken Computer und vernetzten und ausgerichteten nicht- bzw. staatlichen Datenbanken zum Überwachungsstaat, der alle Lebensbereiche erfasst. Unser menschliches Verhalten wird mit genügend Dateninput und schnellen Rechnern so wie das Wetter vorhersehbar.
Dieser totale Überwachung zu entgehen wird kaum möglich sein. Mag man der heutigen VDS, welche sich im wesentlichen auf Verkehrsdaten nach dem § 96 TKG bezieht noch durch das Tor-Netzwerk und VPN-Servern entziehen können. Aber der Datenhunger der Sicherheitsbehörden verlangt nach immer mehr Daten. Morgen wird der Überfall in der U-Bahn an einen Rentner das Argument für Videokameras mit Gesichterkennung sein. Übermorgen wird Herr Münch vom BKA wieder von "8400 Hinweisen" auf Kinderpornographie sprechen.
Es muss deshalb heute der Ausverkauf von Menschenrechten und Grundrechten, wie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung entgegen gewirkt werden. Wer glaubt die Verfassungsbeschwerden vor dem BVerfG werden helfen, der irrt. Deshalb habe ich eine unionsrechtliche Staatshaftungsklage beim LG-Berlin eingereicht, welche jetzt zum LG-Karlsruhe verwiesen wurde.
II. Unionsrechtliche Staatshaftungsklage LG-Berlin Az: 28 O 452/17, jetzt LG-Karlsruhe Az: 10 O 39/18 gegen die Vorratsdatenspeicherung
Ich bin ein Rechtsanwalt aus Bayern. Meine Beschwerde beim BVerfG, Az: 1 BvR 2840/16 wurde nicht angenommen, nachlesbar:
https://vorratsdatenspeicherung.jimdo.com
Deshalb habe ich Staatshaftungsklage gegen Deutschland nach EuGH-Grundsätzen, Rechtssache Köbler beim LG-Berlin erhoben. Az: 28 O 452/17. Zumindest will ich damit den Druck auf das BVerfG erhöhen, selbst die deutsche VDS dm EuGH vorzulegen, oder durch eine Vorlage des LG-Berlin an den EuGH die Entscheidung des BVerfG überflüssig zu machen.
Urteil des Landgricht Karlsruhe Az: 10 O 39/18 vom 23.7.18 (noch nicht rechtskräftig)
Tenor:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Schadensersatz wegen Amtspflichtverletzung. Im Jahr 2007 verabschiedete der deutsche Gesetzgeber eine erste Fassung des Telekommunikationsgesetzes (TKG); durch dieses Gesetz wurde die Möglichkeit der Vorratsdatenspeicherung geschaffen. Das TKG in dieser Fassung war Gegenstand der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 02.03.2010 (BVerfGE 125, 260).
Am 18.12.2015 trat das Gesetz über die Speicherpflicht und Höchstspeicherfrist für Verkehrsda
ten (VDS-Gesetz) in Kraft, mit dem §§ 113b, 113c TKG unter Berücksichtigung der Entscheidung
des Bundesverfassungsgerichts neu gefasst wurden. Am 19.12.2016 erhob der Kläger, ein Rechtsanwalt mit Sitz in Nürnberg, im eigenen Namen Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht mit dem Antrag, §§ 113b l-IV, 113c I TKG, eingeführt durch das Gesetz zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten vom 10.12.2015, verkündet am 17.12.2015, für nichtig zu erklären. Zu gleich regte der Kläger an, das Verfahren vordem Bundesverfassungsgericht auszusetzen, und dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die Frage der Vereinbarkeit der streitgegenständlichen Gesetze mit europäischem Recht zur Klärung vorzulegen (Anlageheft des Klägers, Seite 1-99). Mit einstimmigem Beschluss vom 31.08.2017 lehnte die 3. Kammer des Ersten Senates des Bundesverfassungsgerichts die Annahme der Verfassungsbeschwerde ab (Beschluss AS 297).
Der Kläger trägt vor, durch das Verhalten der Beklagten sei er geschädigt. Hauptsächlicher Anknüpfungspunkt sei der Erlass des streitgegenständlichen Gesetzes durch den Bundestag. Hierdurch werde schwerwiegend in seine auf nationaler wie auch auf europäischer Ebene verbürgten Grundrechte eingegriffen. Durch den Erlass des Gesetzes zur Vorratsdatenspeicherung habe er sich zur Verfassungsbeschwerde als dem einzigen zur Verfügung ste
henden Rechtsmittel herausgefordert fühlen dürfen.
Zudem sei er durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts verletzt. Der Beschluss
des Bundesverfassungsgerichts vom 31.08.2017 sei fehlerhaft, da das Bundesverfassungsge
richt die Pflicht zur Vorlage an den EuGH aus Art. 267 AEUV verletzt habe. Hierdurch sei auch sein Recht auf effektiven Rechtsschutz aus Artikel Art. 47 Grundrechtecharta verletzt.
§§ 93a, 93d BVerfGG, die dem Bundesverfassungsgericht einen nicht überprüfbaren Einschätzungsspielraum bei der Annahme der Verfassungsbeschwerde einräumten, seien unionsrechtswidrig. Jedenfalls bei unionsrechtlichem Bezug seien sie so auszulegen, dass eine Verfassungsbeschwerde angenommen werden müsse, wenn sie nicht offensichtlich erfolglos sei. Die Verweisung auf die vorrangige Inanspruchnahme der Fachgerichtsbarkeit als Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde verkürze sein Recht auf effektiven Rechtsschutz.
Auch die mit der vorrangigen Inanspruchnahme von Primärrechtsschutz verbundene zeitliche Verzögerung führe zu einer Rechtsverletzung. Insbesondere sei in seinem Fall der Sachverhalt nach dem im Jahr 2010 vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Verfahren aufgeklärt gewesen, sodass ein Bedürfnis nach einer vorangehenden Prüfung der Angelegenheit durch die Fachgerichtsbarkeit nicht bestanden habe. Mittlerweile habe er allerdings Feststellungsklage gegen die Bundesnetzagentur vor dem VG Köln erhoben; ein Termin sei dort noch nicht bestimmt.
Durch die fehlerhafte Sachbehandlung durch das Bundesverfassungsgericht sei er geschädigt.
Bei Selbstvertretung könne er als Rechtsanwalt die gesetzlichen Gebühren geltend machen. Das
Bundesverfassungsgericht setze bei erfolgreichen Verfassungsbeschwerden einen Streitwert
von 10.000 Euro an. Vor dem Bundesverfassungsgericht falle eine 1,6 Verfahrensgebühr an; mit
hin sei von Rechtsanwaltsgebühren von insgesamt 892 Euro bei einem Streitwert von 10.000 Euro auszugehen. Einen Teil dieses Schadens mache er im Wege einer offenen Teilklage geltend.
Im Falle einer erfolglosen Verfassungsbeschwere belaufe sich der Streitwert auf 5.000 Euro.
Er rege an, auch im vorliegenden Verfahren die von ihm näher ausgeführten Vorfragen zur Vereinbarkeit des Telekommunikationsgesetzes mit europäischen Rechtsnormen dem lEuGH zur Entscheidung vorzulegen.
Der Kläger beantragt nach Klageerweiterung zuletzt;
Die Beklagte wird zur Zahlung von 610 Euro verurteilt.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor, eine Haftung aus § 839 BGB scheide wegen des Spruchrichterprivilegs aus § 839 Abs. 2 BGB aus. Auch sei die Verfassungsbeschwerde des Klägers unzulässig gewesen und deswegen von der Kammer nicht angenommen worden. Denn auch bei einer Verfassungs-beschwerde, die sich unmittelbar gegen ein Gesetz richte, und auch bei unionsrechtlichen Bezügen sei der Primärrechtsschutz vor den Fachgerichten vorrangig. Der Primärrechtsschutz vor den Fachgerichten sei auch effektiv, wie die Entscheidung des VG Köln vom 20.04.2018 (Az.: 9 K 3859/16) zeige, das der Telekom die Speicherung von Kundendaten untersagt habe.
Auch ein unionsrechtlicher Haftungsanspruch scheide aus. Der individuell begünstigende Schutzzweck von Art. 15 der Richtlinie 2002/58/EG, der Richtlinie 95/46/EG und von Art. 47 Grundrechte-charta erscheine fraglich. Jedenfalls aber stelle die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die Verfassungsbeschwerde des Klägers nicht anzunehmen, keinen hinreichend qualifizierten Verstoß gegen Unionsrecht dar. Nur bei offenkundigem Verstoß gegen geltendes Europarecht komme eine Haftung für eine gemeinschaftsrechtswidrige Entscheidung in Betracht.
Ein Rechtsverstoß könne sich dabei auch aus einer Verletzung der Vorlagepflicht aus Art. 267 Abs. 3 AEUV ergeben. Diese Pflicht sei aber nicht verletzt, weil der Kläger keine Auslegungs- oder Gültigkeitsfragen in seiner Verfassungsbeschwerde formuliert habe. Ein Pflichtverstoß komme nur in Betracht, wenn das Bundesverfassungsgericht die Entscheidung der Auslegungs- oder Gültigkeitsfrage für den Erlass seines Urteils für erforderlich gehalten habe. Das sei nicht der Fall gewesen, da die Verfassungsbeschwerde an der fehlenden Zulässigkeit gescheitert sein dürfe. Zwischen der behaupteten Rechtsverletzung und dem behaupteten Schaden bestehe außer-dem kein ursächlicher Zusammenhang.
Da die Verfassungsbeschwerde bereits wegen Unzulässigkeit nicht zur Entscheidung habe angenommen werden können, komme es auf die Frage, ob das Bundesverfassungsgericht zur Vorlage an den EuGH verpflichtet gewesen sei, nicht an. Auch der Unionsrechtliche Staatshaftungsanspruch sei ausgeschlossen, weil der Kläger die sich ihm bietenden anderen Rechtsschutzmöglichkeiten nicht genutzt habe.
Einen Schaden habe der Kläger nicht dargetan. Das Verfahren vor dem Bundesverfassungsge
richt sei gerichtskostenfrei. Der Kläger habe keinen Schaden erlitten, der über die Verringerung seiner Freizeit hinausgehe. Auf die Haltung des EuGH zu den vom Kläger formulierten Fragen komme es nach alledem nicht mehr an.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird Bezug genommen auf die gewech
selten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll. Der Kläger hat die Klage zunächst zum Landgericht Berlin erhoben (Az.: 28 O 452/17). Auf Antrag des Klägers hat das Landgericht Berlin die Streitigkeit mit Beschluss vom 29.01.2018 gem. § 281 ZPO an das Landgericht Karlsruhe verwiesen (AS 187). Nach Schluss der mündlichen Verhandlung hat der Kläger mit Schriftsatz vom 25.07.2018 ein gegen „die gesamte 10. Kammer des Landgerichts Karlsruhe“ gerichtetes Ablehnungsgesuch eingereicht. Dieses hat er mit Schriftsatz vom 29.08.2018 zurückgenommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet
I. Gegenstand des Verfahrens sind allein mögliche Schadensersatzansprüche des Klägers we
gen des behaupteten Amtspflichtverstoßes des Bundesverfassungsgerichts.
1. Zwar hat der Kläger in der Klageschrift als Teil der Anträge umfangreiche Fragen formuliert und beantragt, diese dem EuGH vorzulegen. Dementsprechend hat der Kläger auch deutlich gemacht, dass es ihm in erster Linie nicht um Schadensersatz, sondern darum geht, eine Entscheidung des EuGH über die Vereinbarkeit von §§ 113b, 113c TKG mit europäischem Recht herbeizuführen. Denn hauptsächlicher Anknüpfungspunkt seiner Ansprüche und des Streits sei der Erlass des streitgegenständlichen Gesetzes, dessen Rechtswidrigkeit mit Sicherheit vom EuGH festgestellt werden würde.
Wie der Kläger selbst eingesehen hat, kann die Vorlage von Rechtsfragen an den EuGH aber nicht Gegenstand eines Antrags im Amtshaftungsprozess sein, weil das jeweils erkennende Gericht über die Vorlage an den EuGH als Vorfrage zu entscheiden hat, ein Urteilsausspruch des Inhalts, dass dem EuGH eine bestimmte Frage zur Entscheidung vorzulegen ist, aber nicht vorstellbar ist. Die vom Kläger formulierten Vorlagefragen bilden damit nicht den Streitgegenstand, sondern allein der geltend gemachte Anspruch auf Ersatz von 610 €.
2. Eine mögliche Amtspflichtverletzung der Gesetzgebungsorgane der Beklagten bzw. der
hieraus resultierende Schaden ist ebenfalls nicht Streitgegenstand, obwohl der Kläger im Laufe des Verfahrens die gesetzgeberische Tätigkeit der Beklagten als Hauptanknüpfuncjspunkt bezeichnet hat. Dies ergibt sich schon daraus, dass der Kläger die Klage gegen die „Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Ministerium für Justiz“ erhoben hat. In der Verfassung der Beklagten ist die Gewaltenteilung vorgesehen. Daher kann die Regierung (Ministerium der Justiz) nicht die Bundesrepublik vertreten, wenn es um Amtspflicht-verletzungen eines anderen Verfassungsorgans, hier der gesetzgebenden Gewalt, geht. Schon durch die Angabe des Vertretungsverhältnisses ist hinreichend deutlich, dass der Haftungsprozess nur die Haftung der Beklagten aufgrund einer behaupteten Amtspflichtverletzung ihres Gerichtes, des Bundesverfassungsgerichtes, betrifft.
Zudem macht der Kläger den Schaden geltend, der ihm aus der Belastung mit Verfahrenskosten
nach Erfolglosigkeit seiner Verfassungsbeschwerde entstanden ist. Dieser Schaden ist aber
nicht durch einen Fehler des Bundestages als Träger der gesetzgebenden Gewalt verursacht.
Für eine Amtshaftungsklage wegen einer Amtspflichtverletzung des Bundestages und des Bun
desrates durch einen Akt der Gesetzgebung wäre überdies das Landgericht Karlsruhe örtlich nicht zuständig, da diese beiden Verfassungsorgane ihren Sitz in Berlin haben.
II. Die Klage auf Schadensersatz wegen Amtspflichtverletzung des Bundesverfassungsgerichts
ist zulässig, insbesondere ist das Landgericht Karlsruhe nach § 18 ZPO örtlich zuständig. Die
Beklagte wird im Amtshaftungsverfahren wegen behaupteter Pflichtverstöße des Bundesverfassungsgerichts durch dieses selbst vertreten; das Bundesverfassungsgericht hat seinen Sitz im Bezirk des Landgerichts Karlsruhe. Auch als offene Teilklage ist die Klage ohne weiteres zulässig.
III. Die Amtshaftungsklage ist aber nicht begründet.
1. Die Klage ist nur im Umfang von 600,71 Euro schlüssig begründet; im Umfang von 9,29 Euro ist sie unschlüssig und schon deswegen erfolglos.
Der Kläger macht den Schaden geltend, den er dadurch erlitten haben will, dass das Bundesver
fassungsgericht zu Unrecht seine Verfassungsbeschwerde nicht angenommen habe. Im Falle des Erfolges mit der Verfassungsbeschwerde wären die Kosten des Beschwerdeführers gem. § 34a BVerfGG erstattet worden. Im Falle der Erfolglosigkeit bleibt der Beschwerdeführer hingegen mit den Verfahrenskosten belastet. Nachdem für das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht keine Gerichtskosten anfallen, besteht der finanzielle Aufwand des Klägfers für die Verfassungsbeschwerde allein in seinen Rechtsanwaltskosten. Dabei kann der sich sellbst vertretende Rechtsanwalt im Rahmen des Schadensersatzes seine eigenen Gebühren geltend machen (Palandt, BGB, 77. Auflage, § 249 Rz 57).
Die Rechtsanwaltskosten des Klägers für die erfolglos gebliebene Verfassungsbeschwerde und damit sein Schaden belaufen sich auf 600,71 Euro. Für die Berechnung der Rechtsanwaltskosten ist von einem Gegenstandswert von 5.000 Euro auszugehen, den das Bundesverfassungsgericht unstreitig bei erfolglosen Verfassungsbeschwerden - wie hier - ansetzt.
Nach Nr. 3206 W-RVG fällt eine 1,6 Verfahrensgebühr für die Verfassungsbeschwerde an. Weitere Gebühren kommen nicht in Betracht, insbesondere nicht die Terminsgebühr, da keine Verhandlung vor dem Verfassungsgericht stattgefunden hat. Auch sind dem Kläger keine Kosten für ein Verfahren vor dem EuGH entstanden, weil ein Verfahren vor dem EuGH nicht geführt wurde. Somit verbleibt es, wie auch der Kläger zuletzt vorgetragen hat, bei einer 1,6 Verfahrensgebühr aus einem Gegenstandswert von 5.000 Euro, die sich auf 484,80 Euro beläuft (303 Euro * 1,6). Hinzu kommen die Auslagenpauschale von 20 Euro sowie die Mehrwertsteuer; insgesamt ergibt sich ein Betrag von 600,71 Euro. Ein weitergehender Schaden des Klägers besteht nicht, insbesondere besteht dieser nicht in Höhe der Anwaltskosten, die aus dem Gegenstandswert von 10.000 Euro, dem Gegenstandswert einer erfolgreichen Verfassungsbeschwerde, anfallen. Denn der Schaden des Klägers ergibt sich aus den Verfahrenskosten, mit denen er tatsächlich belastet ist. Da die Verfassungsbeschwerde erfolglos geblieben ist, ist für die Berechnung des aus den Anwaltskosten bestehenden Schadens von einem Gegenstandswert von 5.000 Euro auszugehen.
2. Soweit die Klage schlüssig ist, ist sie indessen nicht begründet.
a) Eine Haftung der Beklagten ergibt sich nicht aus § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG.
aa) Die Haftung der Beklagten setzt voraus, dass die Richter des Bundesverfassungsgerichts
schuldhaft eine den Kläger schützende Amtspflicht durch den Beschluss über die Nichtannahme
der Verfassungsbeschwerde vom 31.08.2017 verletzt haben. Eine Amtspflichtverletzung durch die Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde des Klägers scheidet aus, wenn die Verfassungs-beschwerde unzulässig war; denn dann wurde die Verfassungsbeschwerde zu Recht nicht angenommen. Eine Pflicht des Bundesverfassungsgerichts, dem EuGH Fragen zur Vereinbarkeit der streitgegenständlichen Normen mit europäischem Recht vorzulegen, kam dann nicht in Betracht, da Vorfragen nur dann durch den EuGH zu entscheiden sind, wenn diese für die Entscheidung erheblich sind. An einer solchen Erheblichkeit fehlt es aber, wenn es kein zulässiges Verfahren gibt, da dann keine Sachentscheidung ergeht.
Die Verfassungsbeschwerde des Klägers war schon unzulässig. Nach § 90 Abs. 2 BVerfGG ist
eine Verfassungsbeschwerde erst zulässig, wenn der Beschwerdeführer zuvor den Rechtsweg
erschöpft hat. Dieser Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde gilt auch für den
Fall, dass die Verfassungsbeschwerde sich wie hier unmittelbar gegen ein Gesetz wendet
(BVerfGE 86, 382). Zwar kann ein Beschwerdeführer vor den Fachgerichten nicht unmittelbar gegen die von ihm angegriffene gesetzliche Regelung Rechtsschutz erlangen. Er kann aber die Fachgerichte zur Sicherung und Durchsetzung der Rechte in Anspruch nehmen, die sich aus der Verfassungswidrigkeit der Regelung herleiten. Zur Herbeiführung einer Vorklärung der tatsächlichen und einfachrechtlichen Lage sind Beschwerdeführer gehalten, zunächst zumindest vorläufigen Rechtsschutz vor den Fachgerichten zu suchen (BVerfGE 86, 382 Rz 20 ff.). Durch die Möglichkeit, vorläufigen Rechtsschutz vor den Fachgerichten in Anspruch zu nehmen, birgt der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde auch nicht die Gefahr eines schweren und unabwendbaren Nachteils für die Rechte des Beschwerdeführers schon durch den Zeitaufwand, der für die Erschöpfung des Rechtsweges notwendig ist. Im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes wird beschleunigt entschieden. Zudem besteht die Möglichkeit, dass der Beschwerdeführer, hier der Kläger, das im fachgerichtlichen Verfahren erkennende Gericht von der Verfassungswidrigkeit der maßgeblichen Normen zu überzeugen vermag, und dass d!as angerufene Gericht sodann eine Entscheidung nach Art. 100 GG des Bundesverfassungsgerichts herbeiführt.
Als fachgerichtlicher, vorrangig in Anspruch zu nehmender Rechtsschutz stand dem Kläger der
Weg zum Verwaltungsgericht Köln im Streit mit der Bundesnetzagentur zu Gebote. Delnkbar war auch, seinen Telekommunikationsdienstleister auf Unterlassen vor den Zivilgerichten in Anspruch zu nehmen. Tatsächlich hat der Kläger auch mittlerweile ein Feststellungsverfahren vor dem Verwaltungsgericht in Köln gegen die Bundesnetzagentur eingeleitet. Vor Einlegung der Verfassungsbeschwerde hat der Kläger den Rechtsweg aber nicht erschöpft; er hat keinerlei fachgerichtliches Verfahren eingeleitet. Daher war seine Verfassungsbeschwerde schon unzulässig. Durch die Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde hat die entscheidende
3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts schon kein Recht verletzt.
bb) Die Vorschriften in §§ 93a ff. BVerfGG über die Annahme der VerfassungsbeschvJ/erde sind ihrerseits verfassungsgemäß (BVerfG, Beschluss vom 13.02.1997 - 2 BvR 2726/93).
cc) Eine Haftung der Beklagten entfällt auch wegen des Richterspruchprivilegs aus § 839 Abs. 2
BGB. Danach ist der Dienstherr für einen Fehler des Beamten bei einem Urteil in einer Rechtssache nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht.
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 31.08.2017 ist zwar kein Urteil. Der BGH
hat aber entschieden (BGHZ 10, 55), dass es nicht auf die rechtstechnische Bezeichnung der Entscheidung ankommt, sondern dass es genügt, wenn es sich um ein Streit- oder Strafverfahren handelt, das sich nach bestimmten prozessualen Regeln richtet und in dem aufgrund einer Klage oder Anklage und eines bestimmten Tatbestands durch einen unabhängigen Richter nach materiellen Normen ein Streit zwischen den Parteien entschieden oder einer Person eine Strafe auferlegt wird. Was die Entscheidung selbst angeht, ist nach der Rechtsprechung des BGH allerdings erforderlich, dass das Prozessrechtsverhältnis für die Instanz beendet wird und dass sie unter den für ein Urteil wesentlichen Voraussetzungen, insbesondere mit der Möglichkeit vorherigen rechtlichen Gehörs der Beteiligten, ergangen sein muss (BeckOGK/Dörr BGB § 839 Rn. 654-660, beck-online; Palandt, a.a.O., § 839 Rz 65). Bei der Entscheidung über die Annahme einer Verfassungsbeschwerde handelt es sich um ein solches urteilsvertretendes Erkenntnis (BeckOGK/Dörr BGB § 839 Rn. 654-660 [655], beck-online).
Der Kläger hat keine Anhaltspunkte dafür aufgezeigt, dass die Richter der 3. Kammer des Ersten
Senats des Bundesverfassungsgerichts bei der Entscheidung über seine Verfassungsbeschwer
de eine Straftat begangen hätten. Vielmehr trägt er lediglich vor, die Vorschriften über die Annahme der Verfassungsbeschwerde seien in Fällen wie dem seinen, in dem ein klarer Verstoß gegen europarechtliche Normen vorliege, einschränkend auszulegen. Für einen vorsätzlichen Rechtsverstoß der Richter des Bundesverfassungsgerichts bestehen daher keinerlei Anhaltspunkte. Nach alledem scheidet eine Haftung der Beklagten gemäß § 839 BGB, Art. 34 GG aus.
b) Eine Haftung der Beklagten ergibt sich auch nicht aus dem in der Rechtsprechung des EuGH
entwickelten unionsrechtlichen Haftungsanspruch. Die Haftungsvoraussetzungen ergeben sich nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH wie folgt:
• die Rechtsnorm, gegen die verstoßen worden ist, muss bezwecken, dem Einzelnen Rechte zu verleihen,
• der Verstoß muss hinreichend qualifiziert sein und
• zwischen dem Verstoß gegen die dem Staat obliegende Verpflichtung und dem den ge
schädigten Personen entstandenen Schaden muss ein unmittelbarer Kausalzusammen
hang bestehen (Staudinger/Westermann, Neubearbeitung 2013, § 839 Rz 530).
Als verletzte individualschützende Rechtsnorm kommt hier das Recht auf effektiven Rechts
schutz aus Art. 47 Grundrechtecharta in Betracht. Die vom Kläger ausgeführte Verpflichtung der nationalen Gerichte aus Art. 267 AEUV, dem EuGH zur Klärung von Fragen des europäischen Rechts Vorlagefragen vorzulegen, hat, soweit hier von Interesse, keinen darüber hinausgehen den, den Einzelnen schützenden Regelungsgehalt.
Ein hinreichend qualifizierter Verstoß gegen diese Vorschrift ist aber nicht dargetan. Ein solcher Verstoß ist gegeben, wenn das handelnde Organ die Grenzen, die das Gemeinschaftsrecht seinem Ermessen setzt, offenkundig und erheblich überschritten hat (Palandt, a.a.O., § 839 Rz 6 m.w.N). Der Kläger sieht den Pflichtverstoß der Richter des Bundesverfassungsgerichts in der Nichtvorlage seiner Verfassungsbeschwerde vor den EuGH. Da auch im Amtshaftungsstreit der zivilprozessuale Beibringungsgrundsatz herrscht und die Kammer keine Amtsermittlung durchzuführen hat, hat sich die Prüfung auf den vom Kläger konkret erhobenen Vorwurf zu beschränken.
Eine Pflicht des Verfassungsgerichts, an den EuGH eine Vorlagefrage zu richten, kommt nur innerhalb eines Verfahrens in Betracht. Nachdem das Bundesverfassungsgericht in nach nationalem Recht nicht zu beanstandender Weise die Verfassungsbeschwerde nicht angenommen hat und somit kein Verfahren in Gang gesetzt wurde, bestand keine Pflicht zur Vorlage der vom Kläger gestellten oder auch anderer Fragen an den EuGH. Da das Bundesverfassungsgericht zu Recht von der Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde ausgegangen ist, musste es die vom Kläger formulierten Auslegungs- oder Gültigkeitsfragen, deren hinreichende Abfassung unterstellt, nicht für den Erlass seiner Entscheidung für erforderlich halten. Ein qualifizierter Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht durch die Nichtvorlage der vom Kläger in der Verfassungsbeschwerde angesprochenen Fragen an den EuGH kann damit nicht festgestellt werden. Damit hat das Bundesverfassungsgericht die vorgeworfene Pflichtverletzung nicht begangen.
Auch sonst ist keine Pflichtverletzung durch das Bundesverfassungsgericht ersichtlich, ge
schweige denn ein hinreichend qualifizierter Verstoß gegen eine individualschützende Rechtsnorm. Nach alledem kommt auch keine Haftung der Beklagten aufgrund des unionsrechjlichen Haftungsanspruchs in Betracht.
IV. Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 91 ZPO abzuweisen, ohne dass es auf die
Vorlage der vom Kläger formulierten, umfangreichen Fragen an den EuGH ankäme.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.