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Vorratsdatenspeicherung-Predictive Policing-Überwachungsstaat?

Neu: Urteil LG-Karlsruhe über unionsrechtliche Staatshaftung

I.Vorbemerkung zur Vorratsdatenspeicherung

 

Teilweise sprechen sich Gerichte wie EuGH (Rs C-203/15 und C-698/15) und OVG Münster (Az. 13 B 238/17) gegen die Vorratsdatenspeicherung aus, sie sei mit Europarecht nicht vereinbar. Die Bundesnetzagentur hat die Durchsetzung der VDS wegen genannter OVG-Münster Entscheidung momentan außer Kraft gesetzt. Unser Bundesverfassungsgericht (Az: 1 BvR 256/08) dagegen befürwortete die VDS mit kleinen Einschränkungen. Es wartet mit seiner Entscheidung über Verfassungsbeschwerden zur VDS zum neuen Gesetz bis europäisches Recht so angepasst ist, dass das deutsche Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung mit europäischen Recht konform ist. In meiner Klageschrift unten erkläre ich warum das BVerfG für die VDS ist. Den Nutzen der Vorratsdatenspeicherung sehen die Befürworter, meist Politiker der CDU-CSU, wie Herr de Maiziere, die Polizei, BKA-Präsident Münch und Staatsanwaltschaft in der Bekämpfung von schwerer Kriminalität, wie Kinder-pornographie und Terrorismus. So sprach sich der BKA-Präsident Münch im Februar 2018 für eine Ausweitung der Vorratsdatenspeicherung aus, weil ca. 8400 "Hinweisen" auf Kinderpornographie nicht nachgegangen werden konnte. Nur 8400 "Hinweise" wird es auch nach der Einführung von VDS wiedergeben, da "Hinweise" in im Auge des Betrachters liegen, und man sie nur entsprechend definieren muss. Dagegen zeigen verschiedene Untersuchungen wie des Max-Planck-Institut, dass Vorratsdatenspeicherung keinen Nutzen bringt. Für mich ist VDS über Predictive Policing der schleichende Übergang in einen Überwachungsstaat. Predictive Policing verlangt immer mehr Daten, um immer genauere Aussagen über das Verhalten von Personen zu machen. Der Datenhunger der Sicherheitsbehörden wird aufgrund der fortschreitenden Computertechnik nicht stoppen. Neue und immer leistungsfähigere Computer ermöglichen immer mehr Daten zu verknüpfen und immer mehr Bereiche unseres Lebens zu erfassen. Was heute unter dem Stichwort "Predictive Policing" seinen Anfang hat wird mit zunehmend starken Computer und vernetzten und ausgerichteten nicht- bzw. staatlichen Datenbanken zum Überwachungsstaat, der alle Lebensbereiche erfasst. Unser menschliches Verhalten wird mit genügend Dateninput und schnellen Rechnern so wie das Wetter vorhersehbar.

Dieser totale Überwachung zu entgehen wird kaum möglich sein. Mag man der heutigen VDS, welche sich im wesentlichen auf Verkehrsdaten nach dem § 96 TKG bezieht noch durch das Tor-Netzwerk und VPN-Servern entziehen können. Aber der Datenhunger der Sicherheitsbehörden verlangt nach immer mehr Daten. Morgen wird der Überfall in der U-Bahn an einen Rentner das Argument für Videokameras mit Gesichterkennung sein. Übermorgen wird Herr Münch vom BKA wieder von "8400 Hinweisen" auf Kinderpornographie sprechen.

 

Es muss deshalb heute der Ausverkauf von Menschenrechten und Grundrechten, wie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung entgegen gewirkt werden. Wer glaubt die Verfassungsbeschwerden vor dem BVerfG werden helfen, der irrt. Deshalb habe ich eine unionsrechtliche Staatshaftungsklage beim LG-Berlin eingereicht, welche jetzt zum LG-Karlsruhe verwiesen wurde.

II. Unionsrechtliche Staatshaftungsklage LG-Berlin Az: 28 O 452/17, jetzt LG-Karlsruhe Az: 10 O 39/18 gegen die Vorratsdatenspeicherung

Ich bin ein Rechtsanwalt aus Bayern. Meine Beschwerde beim BVerfG, Az: 1 BvR 2840/16 wurde nicht angenommen, nachlesbar: 

 

https://vorratsdatenspeicherung.jimdo.com

 

Deshalb habe ich Staatshaftungsklage gegen Deutschland nach EuGH-Grundsätzen, Rechtssache Köbler beim LG-Berlin erhoben. Az: 28 O 452/17. Zumindest will ich damit den Druck auf das BVerfG erhöhen, selbst die deutsche VDS dm EuGH vorzulegen, oder durch eine Vorlage des LG-Berlin an den EuGH die Entscheidung des BVerfG überflüssig zu machen.

 

 

Urteil des Landgricht Karlsruhe Az: 10 O 39/18 vom 23.7.18 (noch nicht rechtskräftig)
 

Tenor:

 

1.   Die Klage wird abgewiesen.
 

2.  Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
 

3.  Das  Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der  Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung  Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
 


Tatbestand

Die Parteien streiten über Schadensersatz wegen Amtspflichtverletzung. Im  Jahr 2007  verabschiedete der deutsche Gesetzgeber eine erste  Fassung des Telekommuni­kationsgesetzes (TKG); durch dieses Gesetz wurde die Möglichkeit der Vorratsdatenspeicherung geschaffen.  Das  TKG  in  dieser Fassung war Gegenstand der Entscheidung des Bundesverfas­sungsgerichts vom 02.03.2010 (BVerfGE 125, 260).

Am  18.12.2015 trat das Gesetz über die Speicherpflicht und  Höchstspeicherfrist für Verkehrsda­
ten (VDS-Gesetz) in Kraft, mit dem §§ 113b,  113c TKG unter Berücksichtigung der Entscheidung
des Bundesverfassungsgerichts neu gefasst wurden. Am  19.12.2016 erhob der Kläger,  ein  Rechtsanwalt mit Sitz in Nürnberg, im eigenen Namen Verfassungsbeschwerde vor dem  Bundesverfassungsgericht  mit dem  Antrag,  §§  113b  l-IV,  113c I TKG,  eingeführt  durch  das  Gesetz  zur  Einführung  einer  Speicherpflicht  und  einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten vom 10.12.2015, verkündet am 17.12.2015, für nichtig zu erklären. Zu gleich  regte der Kläger an,  das Verfahren vordem Bundesverfassungsgericht auszusetzen, und dem  Europäischen  Gerichtshof (EuGH)  die  Frage  der Vereinbarkeit der  streitgegenständlichen Gesetze mit europäischem Recht zur Klärung vorzulegen (Anlageheft des Klägers, Seite 1-99). Mit  einstimmigem  Beschluss  vom  31.08.2017  lehnte  die  3.  Kammer des  Ersten  Senates  des Bundesverfassungsgerichts die Annahme der Verfassungsbeschwerde ab (Beschluss AS 297).

Der Kläger trägt vor, durch das Verhalten der Beklagten sei er geschädigt. Hauptsächlicher  Anknüpfungspunkt  sei  der  Erlass  des  streitgegenständlichen  Gesetzes  durch den  Bundestag.  Hierdurch  werde  schwerwiegend  in  seine  auf nationaler wie  auch  auf europäi­scher  Ebene  verbürgten  Grundrechte eingegriffen.  Durch den  Erlass des Gesetzes zur Vorrats­datenspeicherung  habe er sich zur Verfassungsbeschwerde als dem einzigen zur Verfügung ste­
henden Rechtsmittel herausgefordert fühlen dürfen.

Zudem  sei  er durch  die  Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts verletzt.  Der Beschluss
des  Bundesverfassungsgerichts  vom  31.08.2017  sei  fehlerhaft,  da  das Bundesverfassungsge­
richt  die  Pflicht  zur Vorlage  an  den  EuGH aus Art. 267 AEUV verletzt habe.  Hierdurch  sei auch sein Recht auf effektiven Rechtsschutz aus Artikel Art. 47 Grundrechtecharta verletzt.


§§  93a,  93d  BVerfGG,  die  dem  Bundesverfassungsgericht einen  nicht  überprüfbaren Einschätzungsspielraum  bei  der Annahme der Verfassungsbeschwerde einräumten,  seien unionsrechtswidrig. Jedenfalls bei  unionsrechtlichem  Bezug seien sie so auszulegen, dass eine Verfassungs­beschwerde angenommen werden müsse, wenn sie nicht offensichtlich erfolglos sei. Die Verweisung auf die vorrangige Inanspruchnahme der Fachgerichtsbarkeit als Voraussetzung für  die  Zulässigkeit  einer  Verfassungsbeschwerde  verkürze  sein  Recht  auf  effektiven Rechtsschutz.

 

Auch die mit der vorrangigen Inanspruchnahme von Primärrechtsschutz verbundene zeitliche Verzögerung führe zu einer Rechtsverletzung. Insbesondere sei in seinem Fall der Sachver­halt nach dem  im Jahr 2010 vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Verfahren aufgeklärt gewesen,  sodass ein  Bedürfnis  nach einer vorangehenden  Prüfung der Angelegenheit durch die Fachgerichtsbarkeit  nicht  bestanden  habe.  Mittlerweile habe er allerdings  Feststellungsklage ge­gen die Bundesnetzagentur vor dem VG Köln erhoben; ein Termin sei dort noch nicht bestimmt.
Durch  die  fehlerhafte  Sachbehandlung  durch das Bundesverfassungsgericht sei er geschädigt.
Bei Selbstvertretung könne er als Rechtsanwalt die gesetzlichen Gebühren geltend machen. Das
Bundesverfassungsgericht  setze  bei  erfolgreichen  Verfassungsbeschwerden  einen  Streitwert
von  10.000 Euro an. Vor dem Bundesverfassungsgericht falle eine 1,6 Verfahrensgebühr an; mit­
hin  sei von  Rechtsanwaltsgebühren von insgesamt 892 Euro bei einem Streitwert von 10.000 Eu­ro auszugehen.  Einen Teil dieses  Schadens  mache er im Wege einer offenen Teilklage geltend.
Im Falle einer erfolglosen Verfassungsbeschwere belaufe sich der Streitwert auf 5.000 Euro.

Er  rege  an,  auch  im  vorliegenden  Verfahren die von  ihm  näher ausgeführten Vorfragen zur Vereinbarkeit  des  Telekommunikationsgesetzes  mit  europäischen  Rechtsnormen  dem lEuGH  zur Entscheidung vorzulegen.

Der Kläger beantragt nach Klageerweiterung zuletzt;
Die Beklagte wird zur Zahlung von 610 Euro verurteilt.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, eine  Haftung  aus  §  839  BGB scheide wegen des Spruchrichterprivilegs aus § 839 Abs.  2  BGB aus. Auch  sei die Verfassungsbeschwerde des Klägers unzulässig gewesen und deswegen von der Kammer nicht angenommen worden. Denn auch bei einer Verfassungs-beschwerde, die sich unmittelbar  gegen  ein  Gesetz  richte,  und  auch  bei  unionsrechtlichen  Bezügen  sei  der Primär­rechtsschutz  vor  den  Fachgerichten  vorrangig.  Der  Primärrechtsschutz vor den  Fachgerichten sei  auch  effektiv,  wie  die  Entscheidung des VG  Köln vom 20.04.2018 (Az.:  9  K 3859/16) zeige, das der Telekom die Speicherung von Kundendaten untersagt habe.

 

Auch  ein  unionsrechtlicher Haftungsanspruch scheide aus. Der individuell begünstigende Schutz­zweck von Art.  15 der Richtlinie 2002/58/EG, der Richtlinie 95/46/EG und von Art. 47 Grundrechte-charta  erscheine  fraglich.  Jedenfalls  aber stelle  die  Entscheidung  des Bundesverfassungsge­richts,  die  Verfassungsbeschwerde  des  Klägers  nicht anzunehmen,  keinen  hinreichend qualifizierten Verstoß gegen  Unionsrecht dar.  Nur bei offenkundigem Verstoß gegen geltendes Europa­recht  komme  eine  Haftung  für eine  gemeinschaftsrechtswidrige  Entscheidung  in  Betracht. 

 

Ein Rechtsverstoß  könne sich dabei auch aus einer Verletzung der Vorlagepflicht aus Art. 267 Abs. 3 AEUV ergeben.  Diese  Pflicht sei aber nicht verletzt, weil der Kläger keine Auslegungs- oder Gültigkeitsfragen in seiner Verfassungsbeschwerde formuliert habe. Ein Pflichtverstoß komme nur in Betracht,  wenn  das  Bundesverfassungsgericht  die  Entscheidung  der Auslegungs-  oder Gültig­keitsfrage  für  den  Erlass  seines  Urteils für erforderlich gehalten habe.  Das sei  nicht der Fall gewesen, da die Verfassungsbeschwerde an der fehlenden Zulässigkeit gescheitert sein dürfe. Zwischen  der  behaupteten  Rechtsverletzung  und  dem  behaupteten  Schaden  bestehe  außer-dem kein ursächlicher Zusammenhang.

 

Da die Verfassungsbeschwerde bereits wegen Unzulässigkeit nicht  zur  Entscheidung  habe  angenommen  werden  können,  komme  es  auf die  Frage,  ob  das Bundesverfassungsgericht zur Vorlage an den EuGH verpflichtet gewesen sei, nicht an. Auch der Unionsrechtliche  Staatshaftungsanspruch  sei  ausgeschlossen, weil der Kläger die sich  ihm bie­tenden anderen Rechtsschutzmöglichkeiten nicht genutzt habe.

Einen  Schaden  habe  der  Kläger  nicht dargetan.  Das Verfahren vor dem Bundesverfassungsge­
richt  sei  gerichtskostenfrei.  Der  Kläger habe keinen Schaden erlitten, der über die Verringerung seiner Freizeit hinausgehe. Auf die Haltung des EuGH zu den vom Kläger formulierten Fragen komme es nach alledem nicht mehr an.

Wegen der weiteren  Einzelheiten des Parteivorbringens wird  Bezug genommen auf die gewech­
selten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll. Der  Kläger  hat  die  Klage  zunächst  zum  Landgericht Berlin erhoben  (Az.: 28  O 452/17). Auf Antrag des Klägers hat das  Landgericht Berlin die Streitigkeit mit Beschluss vom 29.01.2018 gem. § 281  ZPO an das Landgericht Karlsruhe verwiesen (AS 187). Nach  Schluss der mündlichen Verhandlung hat der Kläger mit Schriftsatz vom 25.07.2018 ein gegen  „die  gesamte  10.  Kammer des  Landgerichts Karlsruhe“ gerichtetes Ablehnungsgesuch eingereicht. Dieses hat er mit Schriftsatz vom 29.08.2018 zurückgenommen.


Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet

I.  Gegenstand  des Verfahrens  sind  allein  mögliche  Schadensersatzansprüche  des Klägers we­
gen des behaupteten Amtspflichtverstoßes des Bundesverfassungsgerichts.


1.  Zwar hat der Kläger in der Klageschrift als Teil der Anträge umfangreiche Fragen formuliert und beantragt,  diese  dem  EuGH  vorzulegen.  Dementsprechend  hat  der  Kläger  auch  deutlich gemacht,  dass  es  ihm  in  erster  Linie  nicht  um  Schadensersatz,  sondern  darum  geht,  eine Ent­scheidung  des  EuGH  über die Vereinbarkeit von  §§  113b,  113c TKG  mit europäischem  Recht herbeizuführen.  Denn  hauptsächlicher Anknüpfungspunkt seiner Ansprüche und des Streits sei der  Erlass  des  streitgegenständlichen  Gesetzes,  dessen  Rechtswidrigkeit  mit  Sicherheit vom EuGH festgestellt werden würde.

Wie  der  Kläger selbst  eingesehen  hat,  kann  die Vorlage  von  Rechtsfragen  an  den  EuGH aber nicht Gegenstand eines Antrags im Amtshaftungsprozess sein,  weil  das jeweils erkennende Gericht über die Vorlage an den EuGH als Vorfrage zu entscheiden hat, ein Urteilsausspruch des Inhalts,  dass  dem  EuGH  eine  bestimmte  Frage  zur  Entscheidung  vorzulegen  ist,  aber  nicht vorstellbar ist. Die  vom  Kläger formulierten  Vorlagefragen  bilden  damit nicht den Streitgegenstand,  sondern al­lein der geltend gemachte Anspruch auf Ersatz von 610 €.

2.  Eine  mögliche  Amtspflichtverletzung  der  Gesetzgebungsorgane  der  Beklagten  bzw.  der
hieraus  resultierende  Schaden  ist ebenfalls nicht Streitgegenstand,  obwohl der Kläger im  Laufe des  Verfahrens  die  gesetzgeberische  Tätigkeit  der  Beklagten  als  Hauptanknüpfuncjspunkt bezeichnet hat. Dies  ergibt sich  schon  daraus,  dass  der  Kläger die  Klage  gegen die „Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Ministerium für Justiz“ erhoben hat. In der Verfassung der Beklagten ist die  Gewaltenteilung  vorgesehen.  Daher  kann  die  Regierung  (Ministerium  der  Justiz)  nicht  die Bundesrepublik  vertreten,  wenn  es  um  Amtspflicht-verletzungen  eines  anderen Verfassungsorgans,  hier der gesetzgebenden  Gewalt, geht. Schon durch die Angabe des Vertretungsverhältnisses  ist  hinreichend  deutlich,  dass der Haftungsprozess nur die  Haftung der Beklagten  aufgrund einer  behaupteten  Amtspflichtverletzung  ihres  Gerichtes,  des  Bundesverfassungsgerichtes, be­trifft.

Zudem macht der Kläger den Schaden geltend, der ihm aus der Belastung mit Verfahrenskosten
nach  Erfolglosigkeit  seiner  Verfassungsbeschwerde  entstanden  ist.  Dieser  Schaden  ist  aber
nicht durch einen Fehler des Bundestages als Träger der gesetzgebenden Gewalt verursacht.
Für eine  Amtshaftungsklage  wegen  einer Amtspflichtverletzung  des Bundestages und des Bun­
desrates  durch  einen  Akt  der  Gesetzgebung  wäre  überdies  das  Landgericht  Karlsruhe  örtlich nicht zuständig, da diese beiden Verfassungsorgane ihren Sitz in Berlin haben.

 

II.  Die  Klage  auf Schadensersatz wegen Amtspflichtverletzung des  Bundesverfassungsgerichts
ist zulässig,  insbesondere  ist das  Landgericht  Karlsruhe  nach  §  18 ZPO örtlich zuständig.  Die
Beklagte wird  im  Amtshaftungsverfahren  wegen  behaupteter  Pflichtverstöße des Bundesverfassungsgerichts  durch  dieses  selbst vertreten;  das  Bundesverfassungsgericht hat seinen Sitz  im Bezirk des Landgerichts Karlsruhe. Auch als offene Teilklage ist die Klage ohne weiteres zulässig.

 


III. Die Amtshaftungsklage ist aber nicht begründet.

1.  Die  Klage ist nur im  Umfang von  600,71  Euro schlüssig  begründet; im Umfang von 9,29 Euro ist sie unschlüssig und schon deswegen erfolglos.

Der Kläger macht den  Schaden geltend, den er dadurch erlitten haben will, dass das Bundesver­
fassungsgericht  zu  Unrecht seine  Verfassungsbeschwerde  nicht  angenommen  habe.  Im  Falle des  Erfolges  mit  der Verfassungsbeschwerde  wären  die Kosten des Beschwerdeführers gem. §  34a  BVerfGG  erstattet worden.  Im  Falle der Erfolglosigkeit bleibt der Beschwerdeführer hinge­gen  mit  den  Verfahrenskosten  belastet.  Nachdem  für  das  Verfahren  vor  dem Bundesverfas­sungsgericht  keine  Gerichtskosten  anfallen,  besteht der finanzielle Aufwand  des Klägfers für die Verfassungsbeschwerde allein in seinen Rechtsanwaltskosten. Dabei kann der sich sellbst vertre­tende  Rechtsanwalt  im  Rahmen  des  Schadensersatzes  seine  eigenen  Gebühren  geltend ma­chen (Palandt,  BGB, 77. Auflage, § 249 Rz 57).

 

Die  Rechtsanwaltskosten  des Klägers für die erfolglos gebliebene Verfassungsbeschwerde und damit sein Schaden belaufen sich auf 600,71  Euro. Für die  Berechnung  der  Rechtsanwaltskosten  ist von  einem  Gegenstandswert von  5.000  Euro auszugehen,  den  das  Bundesverfassungsgericht  unstreitig  bei  erfolglosen Verfassungsbe­schwerden - wie hier - ansetzt.

Nach  Nr.  3206 W-RVG fällt eine  1,6 Verfahrensgebühr für die Verfassungsbeschwerde an. Weitere  Gebühren  kommen  nicht  in  Betracht,  insbesondere nicht die Terminsgebühr,  da keine Verhandlung vor dem Verfassungsgericht stattgefunden  hat. Auch sind dem Kläger keine Kosten für ein Verfahren vor dem  EuGH entstanden, weil ein Verfahren vor dem EuGH nicht geführt wurde. Somit  verbleibt  es,  wie auch der Kläger zuletzt vorgetragen  hat,  bei einer 1,6 Verfahrensgebühr  aus einem Gegenstandswert von 5.000  Euro,  die sich auf 484,80  Euro beläuft (303  Euro *  1,6). Hinzu  kommen die Auslagenpauschale von 20  Euro sowie die Mehrwertsteuer; insgesamt ergibt sich ein Betrag von 600,71  Euro. Ein weitergehender Schaden des Klägers besteht nicht, insbesondere besteht dieser nicht in Hö­he  der Anwaltskosten,  die  aus dem  Gegenstandswert von  10.000 Euro,  dem Gegenstandswert einer erfolgreichen Verfassungsbeschwerde, anfallen. Denn der Schaden des Klägers ergibt sich aus den Verfahrenskosten,  mit denen er tatsächlich belastet ist. Da die Verfassungsbeschwerde erfolglos geblieben ist, ist für die Berechnung des aus den Anwaltskosten bestehenden Schadens von einem Gegenstandswert von 5.000 Euro auszugehen.

2. Soweit die Klage schlüssig ist, ist sie indessen nicht begründet.

a) Eine Haftung der Beklagten ergibt sich nicht aus § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG.

 

aa)  Die  Haftung  der  Beklagten  setzt  voraus,  dass  die  Richter des Bundesverfassungsgerichts
schuldhaft eine den  Kläger schützende Amtspflicht durch den Beschluss über die Nichtannahme
der Verfassungsbeschwerde vom 31.08.2017 verletzt haben. Eine  Amtspflichtverletzung  durch  die  Nichtannahme  der Verfassungsbeschwerde  des  Klägers scheidet  aus,  wenn  die  Verfassungs-beschwerde  unzulässig  war;  denn  dann  wurde  die Verfassungsbeschwerde  zu  Recht  nicht  angenommen.  Eine  Pflicht des  Bundesverfassungsgerichts, dem EuGH Fragen zur Vereinbarkeit der streitgegenständlichen Normen mit europäischem Recht vorzulegen,  kam dann  nicht in  Betracht, da Vorfragen  nur dann durch den EuGH zu entscheiden sind,  wenn  diese  für  die  Entscheidung  erheblich  sind.  An  einer solchen  Erheblichkeit fehlt  es aber, wenn es kein zulässiges Verfahren gibt, da dann keine Sachentscheidung ergeht.

Die Verfassungsbeschwerde des  Klägers war schon  unzulässig.  Nach § 90 Abs. 2 BVerfGG ist
eine Verfassungsbeschwerde erst zulässig, wenn der Beschwerdeführer zuvor den  Rechtsweg
erschöpft  hat.  Dieser Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde gilt auch für den
Fall,  dass  die  Verfassungsbeschwerde  sich  wie  hier  unmittelbar  gegen  ein  Gesetz  wendet
(BVerfGE 86,  382). Zwar kann ein Beschwerdeführer vor den Fachgerichten nicht unmittelbar ge­gen  die  von  ihm  angegriffene  gesetzliche  Regelung  Rechtsschutz  erlangen.  Er  kann  aber die Fachgerichte zur Sicherung und Durchsetzung der Rechte in Anspruch nehmen, die sich aus der Verfassungswidrigkeit  der  Regelung  herleiten.  Zur  Herbeiführung  einer Vorklärung  der tatsächlichen  und  einfachrechtlichen  Lage sind Beschwerdeführer gehalten, zunächst zumindest vorläufi­gen  Rechtsschutz vor den Fachgerichten zu suchen (BVerfGE 86, 382 Rz 20 ff.). Durch die Mög­lichkeit,  vorläufigen  Rechtsschutz  vor  den  Fachgerichten  in  Anspruch  zu  nehmen,  birgt  der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde auch  nicht die Gefahr eines schweren und  unabwendbaren  Nachteils  für die  Rechte des Beschwerdeführers schon durch den Zeitaufwand,  der  für  die  Erschöpfung  des  Rechtsweges  notwendig  ist.  Im  Verfahren  des  vorläufigen Rechtsschutzes  wird  beschleunigt  entschieden.  Zudem  besteht  die  Möglichkeit,  dass  der Beschwerdeführer,  hier der Kläger, das im fachgerichtlichen Verfahren erkennende Gericht von der Verfassungswidrigkeit der maßgeblichen  Normen  zu  überzeugen vermag,  und dass d!as angerufene  Gericht  sodann  eine  Entscheidung  nach  Art.  100 GG des  Bundesverfassungsgerichts herbeiführt.

Als fachgerichtlicher,  vorrangig  in Anspruch zu  nehmender Rechtsschutz stand dem  Kläger der
Weg  zum Verwaltungsgericht Köln im Streit mit der Bundesnetzagentur zu Gebote. Delnkbar war auch, seinen Telekommunikationsdienstleister auf Unterlassen vor den Zivilgerichten in Anspruch zu  nehmen. Tatsächlich  hat der Kläger auch mittlerweile ein Feststellungsverfahren vor dem Verwaltungsgericht in Köln gegen die Bundesnetzagentur eingeleitet. Vor Einlegung der Verfassungsbeschwerde  hat der Kläger den  Rechtsweg aber nicht erschöpft; er hat keinerlei fachgerichtliches Verfahren eingeleitet. Daher war seine Verfassungsbeschwerde schon  unzulässig.  Durch die Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde  hat die entscheidende
3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts schon kein Recht verletzt.

bb) Die Vorschriften  in  §§ 93a ff.  BVerfGG  über die Annahme der VerfassungsbeschvJ/erde sind ihrerseits verfassungsgemäß (BVerfG, Beschluss vom  13.02.1997 - 2 BvR 2726/93).

cc)  Eine  Haftung der Beklagten  entfällt auch wegen des Richterspruchprivilegs aus § 839 Abs. 2
BGB.  Danach  ist der Dienstherr für einen Fehler des Beamten bei einem Urteil in einer Rechtssa­che nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht.

 

Die  Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 31.08.2017 ist zwar kein Urteil. Der BGH
hat  aber entschieden  (BGHZ  10,  55),  dass  es  nicht  auf die  rechtstechnische  Bezeichnung der Entscheidung  ankommt,  sondern dass es genügt, wenn es sich  um ein Streit- oder Strafverfah­ren  handelt,  das  sich  nach  bestimmten  prozessualen  Regeln  richtet und  in dem aufgrund einer Klage oder Anklage und eines  bestimmten Tatbestands durch einen unabhängigen Richter nach materiellen  Normen  ein  Streit zwischen den  Parteien entschieden oder einer Person eine Strafe auferlegt wird. Was die Entscheidung selbst angeht, ist nach der Rechtsprechung des BGH aller­dings  erforderlich,  dass  das  Prozessrechtsverhältnis für die  Instanz beendet wird  und dass sie unter den für ein  Urteil wesentlichen Voraussetzungen,  insbesondere  mit der Möglichkeit vorheri­gen  rechtlichen  Gehörs  der  Beteiligten,  ergangen  sein  muss  (BeckOGK/Dörr  BGB  §  839  Rn. 654-660,  beck-online;  Palandt,  a.a.O.,  § 839  Rz 65).  Bei der Entscheidung über die Annahme einer  Verfassungsbeschwerde  handelt  es  sich  um  ein  solches  urteilsvertretendes  Erkenntnis (BeckOGK/Dörr BGB § 839 Rn. 654-660 [655], beck-online).

Der Kläger hat keine Anhaltspunkte dafür aufgezeigt, dass die Richter der 3. Kammer des Ersten
Senats des Bundesverfassungsgerichts  bei der Entscheidung über seine Verfassungsbeschwer­
de eine Straftat begangen  hätten. Vielmehr trägt er lediglich vor,  die Vorschriften über die Annah­me der Verfassungsbeschwerde seien in Fällen wie dem seinen, in dem ein klarer Verstoß gegen  europarechtliche  Normen  vorliege,  einschränkend  auszulegen.  Für einen  vorsätzlichen Rechts­verstoß der Richter des Bundesverfassungsgerichts bestehen daher keinerlei Anhaltspunkte. Nach alledem scheidet eine Haftung der Beklagten gemäß § 839 BGB, Art. 34 GG aus.

b)  Eine Haftung der Beklagten ergibt sich auch  nicht aus dem in der Rechtsprechung des EuGH
entwickelten unionsrechtlichen Haftungsanspruch. Die  Haftungsvoraussetzungen ergeben sich  nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH wie folgt:

•  die Rechtsnorm, gegen die verstoßen worden ist, muss bezwecken, dem Einzelnen Rechte zu verleihen,

•  der Verstoß muss hinreichend qualifiziert sein und

•  zwischen  dem  Verstoß  gegen  die  dem  Staat obliegende  Verpflichtung  und  dem  den ge­
schädigten  Personen  entstandenen  Schaden  muss ein unmittelbarer Kausalzusammen­
hang bestehen (Staudinger/Westermann, Neubearbeitung 2013, § 839 Rz 530).

Als  verletzte  individualschützende  Rechtsnorm  kommt  hier  das  Recht  auf  effektiven Rechts­
schutz aus Art.  47 Grundrechtecharta in Betracht.  Die vom Kläger ausgeführte Verpflichtung  der nationalen  Gerichte  aus Art.  267 AEUV,  dem  EuGH  zur  Klärung von  Fragen des europäischen Rechts  Vorlagefragen  vorzulegen,  hat,  soweit  hier von  Interesse,  keinen  darüber hinausgehen den, den Einzelnen schützenden Regelungsgehalt.

Ein  hinreichend qualifizierter Verstoß gegen diese Vorschrift ist aber nicht dargetan.  Ein solcher Verstoß  ist gegeben, wenn das  handelnde Organ  die Grenzen, die das Gemeinschaftsrecht seinem  Ermessen  setzt,  offenkundig  und  erheblich  überschritten  hat (Palandt,  a.a.O.,  § 839  Rz 6 m.w.N).  Der  Kläger sieht  den  Pflichtverstoß der Richter des Bundesverfassungsgerichts  in der Nichtvorlage seiner Verfassungsbeschwerde vor den  EuGH.  Da auch  im Amtshaftungsstreit der zivilprozessuale  Beibringungsgrundsatz herrscht und die Kammer keine Amtsermittlung durchzuführen  hat,  hat sich  die  Prüfung auf den vom Kläger konkret erhobenen Vorwurf zu beschränken.

Eine  Pflicht  des Verfassungsgerichts,  an den  EuGH eine Vorlagefrage zu  richten,  kommt nur innerhalb  eines  Verfahrens in  Betracht.  Nachdem das Bundesverfassungsgericht in  nach nationalem  Recht nicht zu  beanstandender Weise die Verfassungsbeschwerde  nicht angenommen hat und  somit kein Verfahren  in Gang gesetzt wurde,  bestand  keine Pflicht zur Vorlage der vom Kläger  gestellten  oder auch  anderer  Fragen  an  den  EuGH.  Da  das  Bundesverfassungsgericht zu Recht von  der Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde ausgegangen ist, musste es die vom Kläger formulierten Auslegungs- oder Gültigkeitsfragen, deren hinreichende Abfassung unterstellt, nicht für den  Erlass seiner Entscheidung für erforderlich  halten.  Ein qualifizierter Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht durch die Nichtvorlage der vom Kläger in der Verfassungsbeschwerde ange­sprochenen Fragen an den EuGH kann damit nicht festgestellt werden. Damit  hat  das  Bundesverfassungsgericht  die  vorgeworfene  Pflichtverletzung  nicht  begangen.

Auch  sonst  ist  keine  Pflichtverletzung  durch  das  Bundesverfassungsgericht  ersichtlich, ge­
schweige  denn  ein  hinreichend  qualifizierter  Verstoß  gegen  eine  individualschützende Rechts­norm. Nach  alledem  kommt  auch  keine  Haftung  der  Beklagten  aufgrund  des  unionsrechjlichen Haf­tungsanspruchs in Betracht.

IV.  Die  Klage  war daher  mit der  Kostenfolge  aus  § 91  ZPO abzuweisen, ohne dass es auf die
Vorlage der vom Kläger formulierten, umfangreichen Fragen an den EuGH ankäme.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr.  11, 711  ZPO.



 

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